Als Autor wirst du oft genug gefragt: “Woher nimmst du eigentlich die ganzen Ideen?”, “Was inspiriert dich?”, “Wer hat dich dazu gebracht?”, “Ist diese Geschichte ein Teil deines Lebens?” Und jedes Mal möchte ich auf diese Frage anders antworten, denn es gibt sie nicht, die alles umfassende Antwort, die beschreiben könnte, woher ein Schreibender seine Ideen nimmt. Leider – oder zum Glück, die Einschätzung überlasse ich Euch.
Aber woher kommt sie denn nun? Die Inspiration, die Idee? Für eine Geschichte, für eine Figur?
Ideen sind ein Wechselspiel aus Umwelt, eigenen Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen. Du kannst deine Ideen nicht “erzwingen”. Versuchst du dies, wirst du kläglich scheitern, frustriert das Schreibprogramm schließen (ohne zu speichern), den Stift in die nächste Ecke pfeffern, die vollgekritzelten Seiten aus dem Block ziehen und in den nächsten Ofen schleudern. Ideen sind etwas, das du finden musst, ohne es zu suchen. Sie müssen zu dir kommen und wenn sie kommen, suchen sie sich meist den richtigen Moment dazu aus, du musst es nur zulassen. Und du musst die Ideen erkennen, die sich vor dir aufbauen, dir die Hand schütteln wollen und Hallo sagen. Du musst sie einfangen, behalten und in deinen Erinnerungen speichern. Dann gehört sie dir und sie wird den richtigen Zeitpunkt der Verwendung finden.
Bitte? Was für ein esoterischer Quatsch ist bitte das. Das klingt doch eher nach Geniekult. Der Autor, der eine Idee von “oben” bekommt und sie dann nur noch verwenden muss. Ne, das muss doch auch noch anders gehen!
Ich habe oft genug das Gefühl gehabt, lange Durststrecken zu erleben. Keine Idee hat sich mir erbarmt. Ich saß vor meinem Schreibdokument, tippte, wie ich heute finde, wahllos irgendwelche Worte auf die digitalen Seiten und habe mich dabei nicht wohl gefühlt. Die Texte wirkten statisch, sie waren nicht “Ich”, sie haben nicht den Charm enthalten, von dem ich sonst überzeugt bin, dass er meinen Texten zugrunde liegt. Und woran lag es? Am Alltag. Ich bin sicher, dass es am Alltag liegt. Wenn wir von den Aufgaben, die uns die Arbeit, das Leben, die Gesellschaft aufgibt, so eingespannt sind, dass unser Geist nicht auf die Suche nach den passenden Ideen gehen kann, können die Ideen auch nicht zu uns kommen. Unser Geist ist nicht frei. Wir haben nicht die Möglichkeit, unseren Alltag zu abstrahieren, die Dinge zu umdenken, über den Tellerrand zu blicken, sondern bleiben statisch wie der Text, den du in dieser Situation schreibst.
Die Kunst ist es, sich daraus zu lösen. Freiräume für die Ideen schaffen, die man finden möchte. Auszeiten nehmen. Diese müssen nicht Tage oder Wochen betragen, einige Stunden am Tag können schon reichen. Regelmäßigkeit aufbauen. Sich und allen um sich herum sagen: “Der Abend gehört ab 20:15 mir und meinen Ideen. In dieser Zeit möchte ich mich zurückziehen und schreiben oder mich von Dingen, die mir gut tun, inspirieren lassen.” Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Ich für meinen Teil schmeiße eine DVD aus meiner Schreib-DVD-Sammlung hinein, schaue ein paar Szenen und bin schon im Schreibflow drin. Plötzlich sprudelt es aus mir heraus, ich kann abschalten und die Anspannung fällt ab. Aber es funktioniert auch anders: Brainstormen, zeichnen, ein Buch lesen oder einfach nur mal die Lieblingsmusik hören, ohne an etwas Anderes zu denken … Wundervoll!
Die meisten Ideen bekomme ich allerdings – und hier bin ich absolut sicher – auf meinen Reisen. Wenn wir uns ins Auto setzen, uns ein Ziel aussuchen und dort hinfahren, um dort Menschen und Kulturen kennenzulernen, dann kann ich von meinem alltäglichen Leben Abschied nehmen und sehe, wie frei Geist und Ideen sein können. Auf unseren Reisen nach Schottland in den letzten zwei Jahren durfte ich das nur oft genug erleben. 2012 hatte ich das Glück, das erste Mal meine absolute Lieblingsstadt Oban besuchen zu dürfen und seitdem habe ich mein Herz dort gelassen. Diese kleinen verwinkelten Gassen, die Menschen, die dort so britisch freundlich sind, zuvorkommend, lustig und der Whisky. In dieser Stadt scheint einfach alles zu passen. Dort haben ich auch das erste Mal entdeckt, wo meine Figuren “Neela” und “Marlis” aus dem Roman “Die Weltentaucher”, den ich gerade schreibe, leben müssen. Für einen Tag haben wir uns auf die vor der Stadt gelagerten Insel “Isle of Kerrera” verfrachtet und die ganze Insel erkundet. Das kniehohe Gras, die heruntergekommenen Ruinen und die Hügel, die es auf freien Bahnen zu erklimmen gilt … Ich hatte es richtig vor Augen, wie meine beiden Protagonisten hier durch die Gegend stapfen. Oben, am Craig’s Tower wusste ich dann plötzlich, wo einer der wichtigen Nebencharaktere “Ian” leben sollte. In einem wunderschönen Herrenhaus mit roten Fuchsien im Vorgarten. Ich sah vor mir, wie Ian aus dem Haus stiefelte, um in die Stadt zu spazieren und sich einen Cupcake zu kaufen. Wundervoll. Und es sind diese Momente, die einen die Idee bringen und die wir nie vergessen dürfen, damit wir uns erinnern, wie es ist, Ideen zu haben.